Dienstag, 14. April 2015

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Es heißt, ein Blick muss mindestens 8,2 Sekunden lang sein, damit die berühmt berüchtigte Liebe auf den ersten Blick überhaupt eine Chance hat. So habe ich es zumindest kürzlich gehört. Ob dies der Wahrheit entspricht oder gar ein wissenschaftlich bewiesener Fakt ist, weiß ich nicht. Ich persönlich glaube dieser Zahl nicht. Mir erscheint sie sehr hoch. Zu hoch. Irgendein verkopfter Wissenschaftler muss dafür verantwortlich sein. Durch Statistiken und Untersuchungen hat er vermutlich in einem langwierigen Prozess versucht zu beweisen, dass es eben genau diese Zeitspanne dauert, bis dieser herrlich romantische Gemütszustand erreicht ist. Wie gesagt, ich halte davon nicht viel. Und zwar nicht, weil ich nicht an die Liebe auf den ersten Blick glaube. Das tue ich nämlich sehr wohl. Ich würde sogar noch weiter gehen. Ich würde sagen, dass es manchmal nicht mal diese 8,2 Sekunden braucht, um eine Liebe zu erkennen. Ich glaube, manchmal braucht es dafür nur einen einzigen Herzschlag.

Jedes Mädchen bastelt sich ob bewusst oder unbewusst ihren ganz eigenen Prototyp von Mann zusammen. Über die Jahre kommen immer mehr Feinheiten dazu. Irgendwann hat man dann ein ganz individuelles Bild vor Augen von diesem Mann. Im Sommer traf ich ihn zum ersten Mal. Diesen einen Mann. 
Die Musik war laut. Der Platz war voll mit Menschen und die Menschen waren voll mit stimmungssteigernden Liquiden. Das Treiben auf Festivals wurde mir ab einem gewissen Zeitpunkt immer zu bunt. Und als er da stand, mit seiner Gitarre im Arm und dem fröhlich frechen Blick, wurde mir schnell klar, dass er nicht der Eine war. Dennoch sollte er einer sein, der fortan ein Teil meines Lebens sein sollte. 
Er sprach meine Sprache nicht. Ich sprach seine nur sehr schlecht. Es mag kitschig klingen, doch das war mir in diesem Moment egal. Alles, was ich wollte, war mit meinen Augen, seine zu untersuchen und mir vorzustellen, wie es wäre, wenn ich diesen Blick für den Rest meines Lebens bewahren konnte. Meine Neugier fesselte mich. Ich folgte ihm eine Weile überall hin.

Ich tanzte jeden Tanz, zu dem er einlud. Ich nahm jede Chance wahr, die sich bot. Getrieben von einem immer schneller und fester werdenden Beat in meiner Brust, wurden die Bewegungen immer schneller und impulsiver. Drehung um Drehung, Hüftschwung für Hüftschwung, Sprung um Sprung, begriff ich immer mehr, was er war. Er war vollkommen. Er war alles, was ich jemals wollte. Er war charmant, einnehmend, faszinierend. Alle Frauen, die er traf, verfielen ihm sofort. Und er verfiel einigen von ihnen sicher auch nicht zu selten.

Eines Abends sprach ich ihn an. In seiner Hand hielt er ein Bier, in seinem Arm ein hübsches Mädchen. Ich war mir nicht völlig im Klaren darüber, was ich mir erwartete. Er stand mir gegenüber und ich wünschte mir nichts mehr als, dass er bleibt. Doch er berührte mich nur an der Schulter und verschwand mit dem Mädchen im Arm. Seine Perfektion fiel von ihm ab. Sein Herz schlug nicht wie meines. Ihn gehen zu lassen, war die einzige logische Konsequenz. Zurück blieb nur ich und mein in einem einsamen Takt schlagenden Herz.

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